Ich bin ja ein überzeugter Anhänger des öffentlichen Nahverkehrs. Im Prinzip und wenn man es richtig macht ist der einfach so viel effizienter als die ganzen Menschen, die mit ihren fahrbaren Wohnzimmern die Stadt voll stinken. Und eigentlich ist es sogar bequemer. Du musst auf nichts weiter achten als in den richtigen Zug zu steigen und an der richtigen Station wieder auszusteigen. Theoretisch. Wenn es gut gemacht ist. Aber wir sind ja in Berlin. Wir machen nichts richtig, nur richtig schlecht.
Damals, in grauer Vorzeit
Es gab da mal eine Zeit, da war die Berliner S-Bahn eins der besten und zuverlässigsten Transportmittel in der Stadt. Dann kam ein Mehdorn – ja, der, der die Bahn nicht an die Börse, Air Berlin nicht aus den roten Zahlen und den BER nicht fertig bekommen hat und dafür mit Millionen belohnt wurde – und sparte die S-Bahn kaputt. Und davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Besonders gut merkt man das auf der Ringbahn.
Die Dartscheibe des Chaos
Was klingt wie der Titel eines John-Sinclair-Romans erscheint mir manchmal als einzig vernünftige Erklärung für die Zustände auf dem Ring. Nichtsahnend stehst du auf dem Bahnsteig, dann kommt die gefürchtete Durchsage: „Wegen setze-beliebige-Störung-ein kommt es zu Verspätungen und Zugausfällen. Wir bitten um Verständnis“. Und ich bin fast überzeugt, in irgend einem Büro in der S-Bahn-Zentrale hängt eine Dartscheibe und immer wenn mal zu lange nichts passiert ist wirft ein gelangweilter S-Bahner einen Pfeil auf die Scheibe und trifft z.B. Notarzteinsatz oder Polizeieinsatz oder Zugstörung oder Signalstörung oder oder oder. Und dann stehst du da und möchtest schreien.
Was mach ich denn hier
Mein Lieblingsfeature an solchen Störungen ist die lautlose Verwandlung eines Zuges. Du steigst in eine S42 und auf einmal bist du in Baumschulenweg, was, wie die Einheimische weiß ganz und gar nicht an der Strecke liegt, genau so wenig wie Bornholmer Straße eine Station der S41 ist. Da wird dann mal kurz ein Zug umgewidmet, wenn man Glück hat noch mit einer genuschelten Ansage, die keiner versteht und dann fliegt der Zug tangential vom Ring und dein Heimweg hat sich verdoppelt, weil du das Genuschel nicht mitbekommen hast. Ganz ehrlich, das ist einfach nur Mist.
Das Ende des Verständnisses
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe kein Verständnis mehr. Und zwar für die Politik. Den S-Bahnern mach ich den kleinsten Vorwurf – das mit der Dartscheibe dürft ihr mir bitte nicht allzu übel nehmen – aber Bund und Land sind einfach nicht in der Lage, grundlegende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Dabei ist das deren Job. Dafür bezahle ich Steuern. Und nein, die Privatwirtschaft kann das nicht besser. Man kann mit Infrastruktur nur Geld verdienen, wenn man sie unsozial teuer oder unglaublich schlecht macht. Wie die S-Bahn eben inzwischen. Oder die deutsche Kommunikationsverkabelung, die dank Privatisierung nie bis aufs Dorf kommt und selbst in der Stadt aus dem letzten Jahrtausend ist.
Und wenn das Geld knapp ist, dann muss man sich halt überlegen, ob man ein paar hundert Meter Autobahn durchs Wohngebiet und eine Stadtschlossimitation kauft oder richtigen ÖPNV. Ich weiß, wofür ich mich entscheiden würde.